Beziehungsweise: Überhaupt nicht!
DIE ZEIT hat einen Dienstleister für wissenschaftliches Ghostwriting interviewt. Da standen mir die Haare zu Berge. So was von keinerlei Unrechtsbewusstsein – puh! Wenn doch alles so koscher ist, warum steht das Angebot „100 % Diskretion“ so markant auf der Startseite der Agentur? (das hat sich inzwischen geänert, H. B. Juni 2022)
Nein, ich stimme mit dem Manne überhaupt nicht überein. Das Angebot wissenschaftlichen Ghostwritings kann ich nur als Hohn gegenüber all‘ denen empfinden, die sich eben doch hinsetzen und 10 oder 12 Stunden arbeiten, die sich in ein Thema vertiefen, sich nach den Quellen umsehen und lesen, lesen, und noch mal lesen – und sich um ein Verständnis bemühen, das eigene Gedanken und Rückschlüsse ermöglicht. So funktioniert das nämlich. So funktioniert Wissenschaft. Und niemand muss dabei seine Gesundheit ruinieren. So ein abstruses Argument … Freizeit – ja, die kann dann schon mal phasenweise etwas knapp werden. Aber es geht schließlich auch um was.
Das Argument, die Unis seien zu schlecht ausgestattet, viele Quellen nicht verfügbar oder die Betreuung ja sooo schlecht – die Argumente sind so alt wie das Studium selbst und dienen nur der Selbstbeschwichtigung.
Der Wunsch nach besserer Begleitung ist verständlich und auch legitim, so lange eben nicht jemand anders die Arbeit macht, für die dann der Abschluss oder Titel verliehen wird. Es gibt Anbieter, die sich mit der Betreuung wissenschaftlich arbeitender Menschen befassen, ohne diese Grenze zu überschreiten: Im Netzwerk Wissenschaftsberatung gab es (verändert Juni 2022, H. B.) Anbieter, die sich einem Ethikkodex verpflichteten, der Ghostwriting ausschließt – Ziel ist es, das eigenständige wissenschaftliche Arbeiten der KundInnen zu trainieren.
Warum mich das Thema so aufbringt? Können Sie sich schon denken, oder?
Klar, auch bei mir landen Anfragen, ob ich nicht mal eine Seminararbeit schreiben könnte … Definitve Antwort an dieser Stelle wie in meinen Antwortmails: Nein!
PS: Natürlich gibt es ehrenwertes Ghostwriting – in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens, z. B. weil Menschen, die etwas zu sagen haben, nicht auch die Fähigkeit haben, sich vernünftig schriftlich auszudrücken oder was weiß ich. Das ist völlig in Ordnung. Da gibt es Regeln. Es gäbe sonst einige Produkte zu lesen, die sprachlich oder vom Aufbau her sehr schwer veständlich wären, obwohl inhaltlich gute Sachen drin stecken. Hier geht es um das Erschleichen wissenschaftlicher Abschlüsse oder Titel und das ist ein absolutes No Go!
PPS: Dank an Julia Dombrowski vom Texttreff, durch die ich auf den Artikel aufmerksam wurde.
Monika
Hallo,
mir ist noch etwas aufgefallen in dem Artikel. Die Argumentation hinkt an vielen Stellen. Hier sieht man, wie wenig man von Fällen in der Öffentlichkeit durch Plagiate gelernt hat. Die Texte sollen nicht auf Missbrauch ausgelegt sein? Wozu denn sonst, wenn schon „Ghostwriting“ das Thema ist. Wenn er schon auf die eidesstattliche Erklärung zurückgreift, so gibt er ja zu, wenn die Texte in solchen Fällen verwendet werden, dass sie missbraucht werden.
Dass die Menschen keine Zeit dazu haben, sehe ich anders. Dafür muss man sich halt Zeit nehmen und anderes zurückstecken, wenn man das machen will. Ich habe auch viel Zeit investiert, um meine Diplomarbeit zu schreiben und es hat sich gelohnt. Die Quellen, die ich dabei brauchte, waren auch nicht immer einfach zu finden, aber sie waren zu finden. Es gibt also keine schlechte Ausstattung an den Universitäten. Zumal man siene Quellen immer von anderswoher beschaffen kann. Zum Beispiel bieten alle Universitätsbibliotheken an, die Bücher aus anderen Städten holen zu lassen gegen einen geringen Aufpreis.
Die arbeitende Bevölkerung dagegen hat nicht immer die Wahl, ob sie mal monatelang 6 Tage die Woche arbeiten müssen oder auch 10 Stunden am Tag. Da die Studenten ihr Studium als ihre Arbeit ansehen müssen und sie erwachsen sind, so ist die Argumentation schlecht. Zumal ein paar Monate in diesem Takt nicht unbedingt gesundheitsschädlich sind. Stress ist es, aber einer der vorbeigeht.
Viele Grüße
Monika
P.S. Ein guter Artikel, der viel zum Nachdenken aufgibt. Danke für den Hinweis.
Recherche-Meisterin
Hallo Monika, der Hinweis auf „Studium ist das Äquvalent zur Arbeit“, finde ich gut! Danke dafür!
Mir ist gerade noch eingefallen: Wenn an die Quellen nicht ranzukommen wäre, wie wollen denn dann die Ghostwirter das schaffen …? Es muss die Bücher/Zerischriften ja irgendwo geben. Und dafür gibt es dann eben Fernleihe, Subito oder andere Bestelldienste …
Dorothea
Ich bin für Ghostwriting und sehe nichts schlimmes.
Heike Baller
Tja, das können Sie so halten. Aber wenn es bei einer wissenschaftlichen Arbeit geprüft wird, gibt es – in meinen Augen – berechtigten Ärger. Einen wissenschaftlichen Abschluss dürfen nur die bekommen, die dieses Handwerk beherrschen. Übrigens nutzt kritisches Denken auch bei anderen alltäglichen Situationen – es ist keine verschwendete Zeit.