Was gehört zu Recherchekompetenz?

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Profi-Wissen Icon Recherche lernen

Im Zusammenhang mit Recherche lernen und lehren habe ich mir ja schon einige Gedanken in Richtung Recherchekompetenz gemacht. Hier will ich die verschiedenen Ebenen mal zusammenbringen:

  • Vorüberlegungen – welche „Ebene“ im analogen Leben, welche Institutionen usw. sich damit befassen
  • praktische Kenntnisse – Tools, Suchmaschinen, Datenbanken usw.
  • Quellenkritik – Kriterien für Verlässlichkeit

Vorüberlegungen – die grundlegende Recherchekompetenz

Wenn Sie z. B. wissen wollen, was genau der Arabische Frühling nun war, der Anfang der 10er Jahre die Welt in Euphorie versetzte – wo schauen Sie da nach?

  • Um die Entwicklung zu verfolgen, wie sie in den Medien dargestellt wurde, können Sie die Archive von Zeitungen und TV- und Radio-Sendungen durchsuchen.
  • Um persönliche Erfahrungen zu lesen, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
    • Bücher und Artikel von Betroffenen – da wäre eine Literaturrecherche sinnvoll
    • Gibt es Blogs oder Twitter-Accounts, die über direkte Erfahrungen bericht(et)en? (Da sind dann wohl Sprachkenntnisse nötig …)
  • Wollen Sie eine Einschätzung von wissenschaftlicher Seite? Das können Sie mit einer wissenschaftlichen Literaturrecherche erreichen.
  • Dazu kommen noch Institutionen, die auch Expertinnen in Nachrichtensendungen und Diskussionsrunden schicken – z. B. die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. oder die Stiftung für Wissenschaft und Politik .

Wenn Sie sich diese Gedanken gemacht haben, werden Sie nicht mehr einfach ein paar Begriffe in Ihre Lieblings-Suchmaschine tippen, sondern überlegen, wie und wo Sie Ihre Wunschquellen finden können.

Umsetzung der Recherche – die praktische Recherchekompetenz

Für das „Wo?“ gibt es die Möglichkeiten

  • Nach der Website der gewählten Quelle suche, und dann dort weitersuchen
  • Die URL der Website für eine site:-Suche nutzen (das hängt dann von der verwendeten Suchmaschine ab, ob das geht und ob Sie die URL kennen).

Die Erfahrung zeigt, dass z. B. Zeitungen mit site: besser zu durchsuchen sind, als andere Institutionen.

  • site:sz.de „arabischer frühling“ bringt eine Vielzahl an Treffern der damals aktuellen Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung.
  • site:dgap.org/de „arabischer frühling“ bringt v. a. Treffer aus der vereinseigenen Zeitschrift IP-Die Zeitschrift
  • site: www.swp-berlin.org „arabischer frühling“ – auch hier stehen die eigenen Publikationen im Vordergrund

Das Portal IREON dagegen ist eine Datenbank – sie kann mit site: nicht durchsucht werden. Dafür enthält sie aber auch andere Treffer als nur die Publikationen der dahinter stehenden Stiftung für Wissenschaft und Politik.

Verwenden Sie nur die Phrase „arabischer Frühling“ in einer Suchmaschine, erhalten Sie gemischte Treffer: Wikipedia, Texte der Bundeszentrale für politische Bildung, Tagesschau, Spiegel-online, wissen.de usw.

Bei jeder dieser Suchen können Sie, je nach Ziel Ihrer Recherche, weitere Begriffe hinzufügen: Verlauf, Folgen, Ursachen, so als Beispiele.

Mit diesem Vorgehen – erst überlegen, wer befasst sich mit meinem Thema und dann die entsprechenden Quellen aufsuchen und mit Hilfe von Befehlen zu recherchieren, haben Sie Ihre praktische Recherchekompetenz angewendet. Das ersetzt das Stochern im Nebel der Zwei-Wort-Suchen mit den breit gestreuten Ergebnislisten. Aber es geht noch weiter.

Rechercchekompetenz Symbolbild Papierstapel
Auch im Digitalen durchstöbern Sie bei einer Recherche eine Menge „Papier“

Wer hat da was mit welchem Ziel publiziert? – Quellenkritik, die abschließende Recherchekompetenz

Stiftung für Wissenschaft und Politik, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik – das klingt doch richtig gut. In der Tagesschau und im ZDF sind Expertinnen davon auch manchmal zu sehen  – bestimmt eine vertrauenswürdige Quelle.

Ja, aber …

In dem „Über uns“-Text der Stiftung für Wissenschaft und Politik steht, dass sie die Regierung berät. Da möchte ich doch wissen, wer dahintersteckt. Beratung hat oft was mit Interessen zu tun. Gerade für solche Verstrickungsfragen im Politischen gibt es die Seite Lobbypedia; dahinter steht – auch das muss ich ja checken –  „LobbyControl – Initiative für Transparenz und Demokratie e.V.“; wieder ein Verein. Wenn ich jetzt ganz gründlich bin, schau ich  mir das auch noch an: Wer steht dahinter usw.

Ich hab nie behauptet, dass Recherche mit links zu machen sei … 😉 Lobbypedia nehme ich jetzt als seriöse Quelle.

Es geht ja um die beiden Institutionen (Stiftung für Wissenschaft und Politik, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik) – also checke ich mit den bei Lobbypedia zusammengestellten Artikel, was es mit ihnen auf sich hat.

Die Beiträge sind ähnlich wie bei der Wikipedia aufgebaut: Ein einführender Absatz, Inhaltsverzeichnis und dann der strukturierte Beitrag mit einer Reihe von Quellenangaben am Ende. Im Beitrag werden die maßgeblichen Personen mit Funktionen und Vernetzung angegeben: Besonders im Stiftungsrat der Stiftung für Wissenschaft und Politik sind dann bekannte Namen anzutreffen: Peter Altmaier oder Jürgen Fitschen z. B. Im Infokasten oben wird schon deutlich – die Stiftung Wissenschaft und Politik ist ein „halboffizieller regierungsnaher Thinktank“ – als Quelle also durchaus ernstzunehmen. Wie vertrauenswürdig ich das finde, hängt von meiner Einstellung zur Regierung ab.

Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik ist ein Verein – die Liste der Mitglieder macht deutlich, dass hier Wirtschaft und Politik zusammengehen: hier arbeiten Vorstandsmitglieder großer Unternehmen und Politikerinnen zusammen. Sie verfügt über Wissenschaftlerinnen, die Studien und Analysen erstellen.  Neben Großunternehmen und Stiftungen ist auch das Auswärtige Amt an der Finanzierung beteiligt. Diesen Verein kann ich also, außer ich bin völlig gegen die Regierung eingestellt, als recht verlässliche Quelle ansehen.

Der Punkt „Fallbeispiele und Kritik“ steht am Ende jedes Beitrags bei Lobbypedia – hier wird dann auf mögliche oder tatsächliche Einflussnahmen oder deren Möglichkeit hingewiesen. Mit Quellenangabe.

Das Portal IREON ist zwar mit der Stiftung Wissenschaft und Politik verbunden, bietet aber über die Stiftung hinaus die Möglichkeit zu einer umfassenden Literaturrecherche.

Fazit

Wie Sie sehen konnten, bedeutet Recherchekompetenz nicht nur, die richtigen Suchbegriffe, Suchmaschinen, Operatoren und Befehle sinnvoll kombinieren zu können, sondern auch die Fähigkeit, ein Thema bereits im Vorfeld einzuschätzen und am Ende quellenkritisch alle Fundstücke zu überprüfen.

2 Antworten

  1. Peter Cornelius

    Interessant
    Peter Cornelius
    Ehemals selbstständiger Informationsvermittler mit Schwerpunkt Öffentliche Ausschreibungen

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