„Huch, ein Gastbeitrag?“ denken jetzt vielleicht eingie unter Ihnen – bis auf das Blogwichteln im Winter kommt das ja bei mir nicht vor. Und es ist keine Aufforderung, mir jetzt Gastbeiträge vorzuschlagen! Aber hier konnte ich nicht widerstehehen. Der Autor stellt sich selbst wie folgt vor:
„Julian Köck studierte Geschichte und Philosophie in Mannheim und promovierte in Bern über völkische Geschichtsbilder. Bei der Bearbeitung zweier großer Briefwechsel wurden Recherchen nach historischen Personendaten für ihn zeitweise zur alltäglichen Beschäftigung. Geblieben ist die anhaltende Faszination über die Möglichkeiten der Wissensgewinnung im Internet – wenn man nur weiß, wo man suchen muss. Entsprechend ist Julian Köck treuer Leser das Recherche-Blogs*.“
*Da kann man doch nicht widerstehen, oder? Aber noch mal ernsthaft: Gastbeiträge, besonders solche, wo irgendwas an Geld fließen soll, mach ich nicht. Das ist eine Ausnahme, die nach langem Kontakt zustandekam.
Nachtrag vom 2.2.2023: Heute erreichte mich die Nachricht, dass Dr. Julian Köck verstorben ist, bevor sein Beitrag hier erschienen ist. Er hatte mir seinen Text im Herbst geschickt. Ich bin sehr erschüttert. Seinen Text lasse ich hier im Blog, in memoriam Julian Köck.
Recherche nach historischen Personendaten
Geschichte machen nicht nur große Frauen und große Männer. Allein diese sind es indes häufig, zu denen wir in der Schule und den Geschichtsbüchern etwas erfahren. Gern über die reinen Personendaten hinaus. Versuchen wir dagegen etwas über die nicht ganz so großen Frauen und Männer der Vergangenheit herauszufinden, gilt es, eigene Recherchen anzustellen.
Auch die Überprüfung von unbelegten historischen Personendaten kann eine adäquate Motivation sein. Dabei ist das Internet ein hochgradig nützliches Hilfsmittel, das uns potenziell ausufernden Schriftverkehr mit Archiven und Kirchengemeinden bis zu einem gewissen Grad – und je nach Bedürfnis: ganz – ersparen kann.
Um einen unmittelbaren Einblick in die entsprechenden Angebote zu geben, füge ich immer wieder Screenshots mit den Ergebnissen zu Oswald Mommsen ein, einem eher weniger bekannten Sohn des Historikers Theodor Mommsen.
Es geht hier um einige praktische Hinweise für die Recherche nach historischen Personendaten. Diese habe ich nach den Grad der Einfachheit der Recherche absteigend für den Nutzer sortiert. Wer sich besonders für die Ahnenforschung und damit verbundene Themenfelder interessiert, dem*der empfehle ich folgende kommentierte Linksammlung:
Tipp: Nicht selten sind verschiedene Formen der Recherche nötig, wobei eine neue Information ein Indiz für eine neue Suche in einem bereits vergeblich verwendeten Suchmittel darstellen kann.
Nun aber los:
Die Optionen
Suchmaschinen
Es mag wenig elegant erscheinen, aber tatsächlich kann eine Suche über die gängigen Suchmaschinen schon zum Erfolg führen – oder zumindest erste Anhaltspunkte liefern –, wenn der Name der gesuchten Person schon bekannt und einigermaßen individuell ist.
Es gibt allerdings auch dezidiert für die Personensuche entwickelte Angebote. Besonders empfohlen sei an dieser Stelle GlobalGenSearch:
Die Suchmaschine durchsucht eine ganze Reihe von weiter unten vorgestellten Angeboten zur Ahnenforschung und sollte deswegen immer der erste Anlaufpunkt sein. Allerdings ist dafür der korrekte Name der gesuchten Person unabdingbar.
Ein weiteres sehr nützliches Hilfsmittel stellt das europäische Archivportal dar, über dessen Maske die Archivbestände zahlreicher europäischer Länder durchsuchbar sind:
Teilweise sind die Archivalien sogar digitalisiert, aber auch wenn nur der Bestand und die Zuordnung angezeigt werden, kann das schon sehr hilfreich für weitere Recherchen sein. Deshalb bietet sich ein Blick hierüber fast immer an. Ergänzt wird dies durch eine noch spezifischere, auf die heutigen deutschen Grenzen beschränkte Suche in deutschen Archiven, dem Archivportal:
Sucht man Personen mit jüdischen oder osteuropäischen Wurzeln lohnt ein Blick in die Suchmaschine Genealogy Indexer:
Tipp: Es bietet sich an, jeweils mehrere Suchbegriffe zu verwenden. Die gängigsten dürften sein: Vorname Nachname – „Vorname Nachname“ – Nachname, Vorname.
Lexika
Das Bedürfnis nach biografischen Informationen ist nicht neu und wurde als Aufgabe des Nationalstaates gesehen. Bereits 1875 wurde mit dem Druck der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB) begonnen. Diese sowie ihre Nachfolgerin, die Neue Deutsche Biographie (NDB), stellt zusammen mit inkludierten Angeboten die erste Anlaufstelle der Wahl für den deutschsprachigen Raum dar – die Deutsche Biographie.
Neben den beiden erwähnten Nachschlagemöglichkeiten sind auch andere Quellen hierüber erreichbar, z. B.:
- das Österreichische Biographische Lexikon (ÖBL),
- das Lexikon luxemburgischer Autoren,
- Professorenlisten,
- Parteimitglieder-Lexika
Auch Beiträge der Gemeinsamen Normdatei (GND) der Deutschen Nationalbibliothek werden darüber gefunden. Anhand von GND-Nummern werden Personen eindeutig erfasst, wobei es allen deutschen Bibliotheken möglich ist, die dazu gespeicherten Informationen zu bearbeiten. Da viele wissenschaftliche Online-Publikation eine Schnittstelle zur GND haben, wird das erfasste Personal immer größer. Allerdings orientieren sich die Einträge oft nur nach dem Kontext der Erwähnung und dürfen nicht als möglichst vollständige biografische Artikel verstanden werden.
Zwei weitere eigenständige und für den deutschen Sprachraum wichtige Lexika liegen für die Schweiz und das Judentum vor:
Tipp: Sollte die gesuchte Person selbst nicht auffindbar sein, aber über berühmtere Verwandten verfügen, kann eine Suche nach diesen sehr nützlich sein. Die gängigen biografischen Lexika versuchen auch das familiäre Umfeld bis zu einem gewissen Grad abzubilden, sodass zumindest die Lebensdaten von Eltern, Großeltern, Kindern und Enkeln in der Regel vorhanden sind.
Findet sich über die Biografien auch unter Verwendung von Namensvarianten und möglichen Mädchennamen nichts, dann bietet sich als nächster Schritt die Suche in einem der vielen Ahnenforschungs-Portale an.
Ahnenforschungs-Portale
Das rege Interesse an der Ahnenforschung hat eine Vielzahl von Angeboten entstehen lassen, teilweise auch kommerzielle. In der Regel sind die Suchfunktionen bis zu einem gewissen Grad kostenfrei, wodurch sich zumindest bestimmen lässt, ob es dort Informationen zu der gesuchten Person gibt. Folgend sollen einige der Portale sowie die damit verbundenen Möglichkeiten vorgestellt werden.
Hierbei handelt es sich um ein komplett kostenfreies Angebot, worin in von anderen Nutzern erstellten Stammbäumen recherchiert werden kann. Die Qualität der Einträge ist entsprechend sehr unterschiedlich, allerdings werden die Kontaktdaten des Erstellers angegeben, wodurch es möglich ist, zielgerichtet Nachfragen nach den Quellen zu stellen.

Das ist eine der größten internationalen genealogischen Datenbanken und lebt von seinen zahlreichen Nutzern. Auch hier gilt, dass die Qualität stark variiert, allerdings können – bei einer kostenlosen Registrierung – die jeweiligen „profile manager“ ebenfalls kontaktiert werden.
Tipp: Geni enthält zahlreiche von interessierten Nutzern betreute Projekte. Dabei kann es sich zum Beispiel um alle Einwohner einer Stadt oder deren in der Welt verstreuten Nachkommen, russische Offiziere des Zarenreiches oder Opfer des Holocausts (unterschieden nach verschiedenen Lagern, Überlebenden, Herkunft etc.) handeln. Weiß man also den Namen der gesuchten Person nicht, hat aber Informationen zum Beruf oder zur Herkunft, dann lohnt hier immer ein Blick nach einer passenden Gruppe.
Vielen dürfte dieser Anbieter aufgrund seiner Werbung für DNS-Tests bekannt sein, allerdings geht das Angebot weit darüber hinaus. Neben den von Nutzern erstellten Stammbäumen (die in der Regel mit Quellen unterfüttert sind, was sehr nützlich ist) bietet die Internetseite eine Reihe von nützlichen Suchoptionen. So lässt sich beispielsweise gezielt nach Namenskombinationen und Orten sowie einzelnen bekannten Lebensdaten suchen. Auch kann man den Grad der Übereinstimmung definieren und beispielsweise nach ähnlich klingenden Namen oder verschiedenen Vornamenskombinationen suchen. Wirklich interessant wird es bei den Suchergebnissen, die sich nicht nur auf die Stammbäume erstrecken, sondern auch gescannte amtliche Dokumente enthalten. Hat man das Glück, dass die Unterlagen der gesuchten Person zu den zahlreichen von amerikanischen Firmen gescannten Beständen zählen, dann befindet man sich unmittelbar an den Quellen. Neben Daten aus Standesämtern finden sich hier auch Soldatenlisten, Auswandererlisten und viele weitere Quellen. Freilich kostet das, schließlich verdient der Anbieter genau daran. Erfreulicherweise kann man über die kostenlose Suche feststellen, ob zu der gesuchten Person historische Personendaten vorhanden sind.
Tipp: Zumindest aktuell gibt es die Möglichkeit einer kostenlosen 14-tägigen Testphase, was sich strategisch nutzen lässt.

Ancestrys direkter Konkurrent mit nahezu dem gleichen Angebot. Da es allerdings aufgrund der unterschiedlichen Nutzer auch zu unterschiedlichen Stammbäumen kommt und einige Quellen doch dem einen oder anderen Angebot exklusiv sind, lohnt es sich immer, in beiden parallel zu suchen. Auch das Finanzierungsmodell ist de facto gleich.
Ein weiteres vergleichbares Angebot.
Hat man hier nichts gefunden oder möchte keine Mitgliedschaften abschließen, kann es sich anbieten, verschiedene staatliche oder kirchliche Internetangebote zu konsultieren.
Personenstandsregister online
Seit einigen Jahren ist es möglich, Personenstandsdaten nicht nur zu digitalisieren, sondern auch auf staatlichen Homepages zur Verfügung zu stellen. Allerdings verfolgen hier unterschiedliche Bundesländer und Gemeinden (!) unterschiedliche Wege, von Zentralisierung kann leider keine Rede sein. Dazu kommen private Projekte, in denen abfotografierte Personenstandsregister oder Kirchenbücher veröffentlicht werden. Problematisch ist, dass die Informationen hier nicht in einer Personendatenbank geboten werden, sondern digitalisierte, häufig nicht transkribierte Listen durchgearbeitet werden müssen. Dies setzt einerseits entsprechende Lesekenntnisse voraus, andererseits ist die Suche extrem umständlich, wenn der Zeitpunkt nicht irgendwie eingegrenzt werden kann.
Folgende Angebote liegen bisher von den Ländern vor:
Tipp: Einige Archive haben ihre gesamte Digitalisierung über kommerzielle Angebote abgewickelt, z. B. Berlin über Ancestry.
Wissen Sie, dass die gesuchte Person evangelisch war, bietet sich ein Besuch von ARCHION an. Das Portal enthält über 100.000 digitalisierte evangelische Kirchenbücher. Allerdings ist die Nutzung kostenpflichtig:
Ein gutes nichtstaatliches Angebot liegt für den deutschsprachigen Raum bei Matricula vor. Über eine Landkarte lässt sich schnell feststellen, ob der relevante Ort und der relevante Zeitpunkt abgedeckt sind.
Einen guten Überblick über verschiedene Angebote bietet das Personenstandsregister von CompGen.
Tipp: Viele der genannten Websites werden kontinuierlich erweitert. Deshalb bietet sich das Setzen eines Lesezeichens an. Über CompGen lässt sich generell hervorragend nach digitalisierten Angeboten aller Art suchen.
Adressbücher und Ortsfamilienbücher
Weiß man wenig über die gesuchte Person, kennt aber ihren Wohnort zu einem gewissen Zeitpunkt, dann kann die Suche in Adressbüchern, in denen in der Regel der Beruf genannt wird, oder besser noch in Ortsfamilienbüchern hilfreich sein.

Eine ständig ergänzte Sammlung von Links zu verschiedensten Adressbüchern findet sich bei Genealogy Net.
Nützlich ist es zu wissen, dass die meisten älteren Adressbücher im Gegensatz zu heutigen Telefonbüchern nicht allein alphabetisch nach Nachnamen organisiert sind, sondern auch eine alphabetische Auflistung aller Straßen samt ihrer Häuser inklusive Besitzern und Mietern nebst deren Berufe enthalten. So ist es relativ leicht möglich, Nachbarschaftsverhältnisse zu eruieren, um beispielsweise den Namen einer nur im Zusammenhang mit ihrer Funktion erwähnten Person zu ermitteln (z. B. der Polizist aus dem Nachbarblock o. Ä.). Auch kann man sich so umständliche Recherchen im Archiv vor Ort ersparen, wenn man den historischen Besitzer einer Immobilie ermitteln möchte. Ebenfalls relevant können die meist vorliegenden Angaben zu den Mitgliedern der örtlichen Verwaltung, aber auch zu Schulen und anderen Einrichtungen sein.
Tipp: Für Städte wie Berlin oder Dresden liegen die Adressbücher nahezu lückenlos vor. Ist ein Sterbedatum nicht bekannt, wohl aber der Wohnort, dann kann das erste Jahr, in dem die Person nicht mehr aufgeführt wird, zumindest ein Indiz für ein Sterbejahr sein. Natürlich ist es auch möglich, dass die Person verzogen ist etc.
Hat man das Glück, dass für den relevanten Zeitraum ein Ort bekannt ist und ein Ortsfamilienbuch vorliegt, muss man sich mit solchen Methoden freilich nicht abmühen. Über Ortsfamilienbücher lässt sich danach recherchieren. In der Regel sind die Bücher nach Familiennamen organisiert und enthalten mehr oder minder vollständige Angaben zu den erfassten Angehörigen der jeweiligen Familien. Teilweise werden auch Informationen über die Geburtsorte Zugezogener oder die Sterbeorte von Weggezogenen aufgeführt, was für Recherchen äußerst nützlich sein kann.
Zeitungsanzeigen
Bis heute stellen Geburts- und Todesanzeigen typische Textformen in Zeitungen dar. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert wurde es für immer größere Kreise üblich, Ereignisse der eigenen Familie in dieser Form öffentlich zu machen. Mit ZEFYS, dem ZEitungsinFormationssYStem der Staatsbibliothek zu Berlin, liegt eine große Sammlung von digitalisierten historischen Zeitungen vor.
Allerdings kann es sehr zeitaufwendig sein, Ausgabe für Ausgabe händisch zu überprüfen. Eine Suchfunktion ist teilweise rudimentär vorhanden, funktioniert aber ob der Qualität der Scans keineswegs immer. Glücklicherweise kann folgendes Angebot – Familienanzeigen bei Genealogy Net – häufig helfen:
Hier finden sich nach Orten gegliedert Familienanzeigen, die über eine Namenssuchmaske bequem ausgewertet werden können.
Grabsteine
Helfen alle Papierquellen nicht, kann man immer noch auf soliden Stein hoffen: Weltweit werden kontinuierlich Grabsteine abfotografiert und so bequem vom Schreibtisch aus untersuchbar gemacht. Folgende Angebote sind zu empfehlen und können entweder über Suchmasken oder einzelne Friedhöfe in Gänze durchsucht werden – letzteres kann sehr nützlich sein, um bisher unbekannte Familienangehörige zu ermitteln:

Suche nach historischen Personendaten klingt ja erst mal sehr nüchtern – mit Hilfe dieser Quellen können aber Leben nachvollzogen werden.
Heike Baller: So habe ich anhand von Adressbüchern aus dem Heimatort meines Großvaters herausbekommen, dass sein Vater früh pensioniert wurde: Sein Name stand unter einer anderen als der bisher dienstlichen Adresse (Bahnbeamte wohnten natürlich in der Bahnhofsstraße 1!). Und erfuhr auf Nachfrage bei noch lebenden Verwandte, dass er herzkrank war. Das hat ihn nicht gehindert, ziemlich alt zu werden …
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