Matthew Dicks: Der beste Freund, den man sich denken kann

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Nicht nur der Held im Roman von Matthew Dicks hat einen unsichtbaren Spielgefährten: Anita hieß meine. Das weiß ich von meiner Mutter. Auch, dass sie im Geschirrwärmer unten im Herd wohnte. Anita war meine unsichtbare Spielgefährtin. Ich habe keine Erinnerung an sie. Nach Budos Meinung ist sie dann wohl tot.

Was erzählt Matthew Dicks?

Budo ist der imaginäre Freund von Max und Erzähler in dem Buch „Der beste Freund, den man sich denken kann“. Budo erzählt von seinem Alltag mit Max – Schule, Familie. Nein, keine Freunde sonst, denn Max ist anders als andere Kinder (wenn man den Beschreibungen folgt, leidet Max wohl am Asperger-Syndrom, einer Form von Autismus). Deshalb ist Budo ja auch schon sechs Jahre da. Normalerweise, so  ist seine Erfahrung, verschwinden imaginäre Freunde im Laufe der Kindergarten-, spätestens aber nach Eintritt der Schulzeit. Dann werden sie durchsichtiger, bis sie verschwunden sind. Budo erlebt das im Laufe der Geschichte zweimal und ist sehr besorgt. Er will seine Freunde aus der Sphäre der unsichtbaren Spielkameraden behalten. Ihr Verschwinden macht ihm Angst. Was kommt dann? Nicht-Existieren ist doch das Schlimmste, was einem passieren kann!

Sie sehen, da geht es nicht nur um Freundschaft – Sterben ist ein wichtiges Thema des Buches.

Wie kann man so was erzählen?

Ehrlich gesagt war ich nach ca. 50 % etwas angenervt – der Stil ist so simpel gehalten, es gibt so viele Wiederholungen. und der pädagogische Zeigefinger war in meinen Augen auf Maximalgröße ausgefahren: Kinder brauchen unsichtbare Spielgefährten und ein harmonsiches Heim und verständnisvolle Lehrer_innen … Wenn da nicht was von einer spannenden Entwicklung gestanden hätte, hätte ich wohl schon nach 100 Seiten das Handtuch geschmissen und Matthew Dicks einfach vergessen, samt Budo und Max..

Dann kam die erste unerwartete Wendung – und damit hat Matthew Dicks mich doch gefangen. Letztlich habe ich das Buch doch auf einen Sitz gelesen und fand es gut. Die Vorstellung einer Parallelwelt von unsichtbaren Spielgefährten (ich kann die Kombi „imaginäre Freunde“ nicht mehr leiden, die wird in dem Buch etwas überstrapaziert) ist mit so viel Liebe zum Detail ausgemalt und wirkt so schlüssig – ja, ich hoffe, dass Anita mich damals auch überall hin begleiten konnte und mitbekam, welche wunderlichen Arten es da gibt: eine taube Haarspange, ein Hundejunges, einen Löffel, einen riesigen Glatzkopf – abhängig von Phantasie und Bedürfnis der Kinder, die jemanden an ihrer Seite brauchen, der sie versteht und zu ihnen hält.

Fazit

Vielleicht könnte der erste Teil etwas weniger ausführlich und schwurbelig sein – obwohl, wenn Matthew Dicks damit das Vermögen eines intelligenten Sechsjährigen in Sachen Beschreibung unbekannter Phänomene anschaulich machen wollte, passt es ja wieder … Mich hat es halt irritiert.

Ansonsten sei an dieser Stelle ein Lob an den deutschen Verlag für den Titel ausgesprochen – der ist wirklich um Längen besser als das Original mit „Memoirs of an imaginarian friend“!

Matthew Dicks. Der beste Freund, den man sich denken kann, Bloomsbury Berlin, übersetzt von Cornelia C. Walter, ISBN: 9783827011404

Rezensionen ab Mai 2013 erscheinen in meinem Literaturblog Kölner-Leselust.de.

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