Mein erster Kontakt mit einem Buch von Jane Austen verlief nicht erfolgversprechend – ich fand’s nicht gerade langweilig, aber doch unspannend. Ich weiß auch gar nicht mehr, welcher Titel es nun war …
Gutes Zureden einer Kommilitonin veranlasste mich, Jane Austen noch mal eine Chance zu geben. Und hier muss ich doch mal die Reclam-Ausgaben loben: All‘ die Anmerkungen und Nachworte von Ursula und Christian Grawe halfen mir auf die Sprünge. Nach und nach entdeckte ich den Charme dieser leisen Bücher: die genaue Beobachtung der Figuren, die Schilderungen des Innenlebens, die Ironie und die Kritik an den gesellschaftlichen Konventionen – besonders einengend für Frauen.
Mein Lieblingswerk von Jane Austen ist – Sie können es der Überschrift schon entnehmen – „Persuasion“, auf deutsch „Anne Elliott“ oder „Überredung“. „Heldin“ ist Anne, eine fast schon alte Jungfer – die mittlere von drei Schwestern, die mit 28 Jahren nach einer Enttäuschung immer noch unverheiratet ist. Ihre ältere Schwester Elizabeth ist zwar auch noch ledig, aber in einer ganz anderen Position: Sie gilt seit dem Tod der Mutter vor 14 Jahren als Hausherrin, begleitet den Vater auf seinen Fahrten nach London und fühlt sich Anne und allen anderen Menschen haushoch überlegen. Mary, die jüngste der Schwestern ist verheiratet – unter ihrem Stand, wie Vater und Elizabeth meinen – und lebt mit ihrem Mann und den beiden kleinen Söhnen nahe dem Haus der Schwiegereltern.

Auch wenn Sie sich das Ende des schmalen Bandes denken können – es ist interessant zu lesen; bei Austens Büchern kommt es weniger auf den Ausgang an, vielmehr um den Weg und die Umwege dorthin. Missverständnisse und veränderte Ansichten führen dann doch – manchmal überraschend – die „Richtigen“ zusammen.
Am meisten liebe ich einen Satz im letzten Kapitel, der noch einmal die Borniertheit von Annes Vater vorführt; nein, ich verrate ihn hier nicht – wenn Sie ihn finden, können Sie ihn ja in einen Kommentar schreiben; ich sag Ihnen dann, ob Sie richtig liegen ;-).
Die anderen Bücher Austens haben eher sehr junge Mädchen als „Heldinnen“ – diesen Band schrieb sie kurz vor ihrem frühen Tod: So gesehen ein „Alters-“ oder „Spätwerk“. Aber lassen Sie sich nicht täuschen – danach arbeitete sie an ihrer Parodie der aktuellen Schauerromane ihrer Zeit „Northanger Abbey“, wieder mit einer sehr jungen Heldin und sehr spitz.
Beide Titel erschienen erst nach ihrem Tod, gemeinsam:

Jane Austen hat auch in Deutschland treue Fans – zu erkennen z. B. an der Website der „Jane-Austen-Freunde„oder der zurückhaltend gestalteten Jane-Austen-Seite von Boris Chomsky; die meisten Seiten dieser Art sind freilich englischer Herkunft, darunter besonders umfassend die Community um Pemberley.
Rezensionen ab Mai 2013 erscheinen in meinem Literaturblog Kölner-Leselust.de.
anglogermantranslations
Mir erging es mit „meiner“ ersten Jane Austen nicht anders. Mit 16 bekam ich von meiner englischen Brieffreundin „Pride and Prejudice“ geschenkt und dachte, was interessiert mich denn, ob die Mutter ihre Töchter alle unter die Haube kriegt? Ist doch nicht mein Problem. Jahre später meldete ich mich an der Uni freiwillig für ein Referat über Northanger Anger, weil ich es als Schauerromanparodie saukomisch fand. Jane Austen grows on you 🙂 (Na ja, zumindest auf manche …)
Recherche-Meisterin
Puh, wenn es auch anglophilen Menschen so ergangen ist, muss ich mich ja nicht mehr schämen 😉