Meine Generation – Ü 50 – gilt vielen als „digital immigrants“ – im Gegensatz zu den jungen Leuten, die als „digital natives“ bezeichnet werden. Ein Leben ohne Computertechnik kennen sie gar nicht. Manche haben auch noch nie vor einem PC gesessen – ihre digitalen Geräte sind so hübsch handlich: Smartphone, Tablet, wenns hoch kommt ein Laptop. Und klar: Die wissen, wie es geht.
Äh … ? Nein.
Jedenfalls nicht per se.
Was können „digital natives“ im Internet?
Auf den Gebieten, wo sie sich auskennen, sind die jungen Menschen ungheuer firm und flink. Und die Bandbreite ist beachtlich: Neben Sport und Musik kommen alle Arten von Hobbys vor, manche sind sehr gut darin, Videos zu allen möglichen Themen zu drehen. Die, die sich für aktuelle Themen interessieren, kennen Nachrichtenseiten und Quellen unterschiedlichster Couleur. Aber so wenig wie in meiner Generation alle in Sachen Internet und IT hinterm Mond sind – hey, wir sind die Generation, die das erfunden hat! -, sind bei den Menschen zwischen 14 und 30 alle per Alter digital fit.
In meinen Uni-Seminaren hab ich ja mit einigen der „digital natives“ zu tun und frage mich manchmal, ob sie nicht eher „digital naifs“ sind. Das ist jetzt böse – ich habe in jedem Semester da jemanden mit Problembewusstsein, weitergehenden Kenntnissen und Kritikfähigkeit sitzen. Gerade das Problembewusstsein gegen über dem WWW mit seinen Fallen wächst – die DIVSI-Studie zur Internetnutzung und den Einstellungen der 14- bis 24-Jährigen zeigt das deutlich. Das finde ich erfreulich.
Aber:
Vieles, was mir im digitalen Alltag als Hilfsmittel selbstverständlich erscheint, ist den meisten unbekannt. Gut, Quellenagaben wie „Google.de“ kommen heutzutage in Facharbeiten wohl nicht mehr so häufig vor. Aber die Verwendung von Wikipedia ist ungebrochen. Andere Suchmaschinen als Google? Kennt nur ein sehr geringer Teil. Die Kenntnis von Befehlen und Filtern bei Suchmaschinen – eher unbekannt. In meinen Augen mangelt es an Bewusstsein dafür, wo welche Art von Informationen zu finden und wie sie einzuordnen sind. Besonders dieser zweite Schritt ist wichtig, um sich in der Masse der digital verfügbaren Informationen zu orientieren.

Mein Eindruck ist aber, dass ich und alle, die ähnlich arbeiten und Ähnliches lehren, nur einen geringen Anteil derer schulen können, die es brauchen, im Zweifelsfalle die, die schon ein Problembewusstsein dafür haben. Aber was ist mit den anderen?
Mein Blick auf die jungen Leute (boah, komm ich mir alt vor) ist da eher pessimistisch; denn ich sehe ja nicht nur die Studierenden an der Uni, sondern auch andere junge Menschen im familiären Umfeld …
Nun kommt gern der Einwand: Was müssen die das alles wissen, Hauptsache ist doch, es funktioniert irgendwie.
Nein.
„Irgendwie“ ist nicht genug.
Was sollten „digital natives“ wissen und warum?
Simon Hurtz schrieb in seinem Artikel zu Googles Discovery am 24.10.2018, dass es Länder gibt, in denen Facebook mit dem Internet gleichgesetzt wird. Es gibt – in jeder Altersstufe – auch bei uns Menschen, die das ähnlich sehen. Informiert sein ist anders. Und nur wer informiert ist, kann informierte Entscheidungen treffen und ggf. mit anderen Entscheidungen klarkommen, weil er weiß, dass es auch andere Fakten gibt, als die, die in der eigenen Filterblase kursieren. Nur ein Beispiel, weshalb ich es wichtig finde, dass die digitale Medienkompetenz zum Standard-Bildungsangebot gehört – in der Schule vor allem. Was da im Unterricht an Quellenkritk z. B. im Geschichtsunterricht gelehrt wird, sollte digital ebenfalls Stoff sein. Je nach Art der Quelle, ist die Aussage anders zu werten. Oder lesen Sie einen Glosse wie einen Bericht, einen Kommentar wie eine Reportage oder einen Leitartikel wie einen Brief? Na eben.
Die Ergebnisse meiner Suchen sind sowieso schon von verschiedenen Faktoren beeinflusst, die ich nicht bewusst mitdenke. Wenn jetzt noch automatische Ergebnisse kommen, wird meine Fähigkeit, zwischen relevant und irrelevant zu unterscheiden, in ganz anderer Form gefordert. Ohne eine kritische Distanz zu Suchmaschinen und anderen Dienstleistungen im Internet geht das gar nicht. Es heißt, immer auf dem Quivive sein und prüfen, prüfen, prüfen. Nein, Angebote wie Discovery machen das Leben mit Internet nicht einfacher. Jedenfalls nicht, wenn ich bewusst damit umgehen will.
Da die Digitalisierung unserer Gesellschaft vor allem auf dem technischen Gebiet diskutiert wird, werde ich nicht müde, immer wieder auf die inhaltlichen Aspekte zu verweisen. Ich halte die Fähigkeit, verlässliche Informationen von weniger verlässlichen unterscheiden zu können, für grundlegend – in allen Alters- und Bildungsstufen.
Meine Fragen zu und an „digital natives“
Wie sind Ihre Erfahrungen? Mit welchen Kenntnissen haben Sie die „digital natives“ schon mal beeindruckt? MIt welchen Kenntnissen war es umgekehrt der Fall?
Oder falls hier digital natives mitlesen 😉 : Wie geht es Ihnen, wenn Sie für Ihre Ausbildung oder einfach so verlässliche Infos brauchen? Wie prüfen Sie das, was Ihnen Ihre Suchmaschine ausspuckt? Gibt es Menschen, die Sie fragen, wenn Sie den Eindruck haben, dass da was nicht stimmen kann? Vergleichen Sie verschiedene Medien zum selben Thema, um sich ein breiteres Bild zu machen?
Oder ist mein Blick – als déformation professionelle – einfach zu eingeschränkt? Seh ich das zu eng?
Schreibe einen Kommentar