Der Weg des Falken von Jamil Ahmad

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Stammesgebiete in Pakistan und Afghanistan – für uns heute sind sie vor allem aus den Nachrichten über Al Qaida und Taliban ein Begriff; für Jamil Ahmad der selbst gewählte Lebensraum als Beamter. Nun ist er über 80 und sein – vermutlich einziges – Buch „Der Weg des Falken“ ist gerade auf deutsch erschienen.

Mit seinem Debut landete Jamil Ahmad auf der Shortlist für den „Man Asian Literary Prize“ – die Ehrung galt seiner Sprache genauso wie dem Einblick, den er in eine bislang unbekannte Kultur gewährt.

Ehre ist ein Stichwort; harte Lebenbedingungen ein anderes: Der Boden gibt kaum Ernten her, das Vieh muss eigentlich immer von Weide zu Weide ziehen. Doch das wird durch Staatgrenzen verhindert, die auf traditionelle Lebensformen keine Rücksicht nehmen. Erschütternd ist der Glaube der Frau Gul Jana, die meint, mit einem Koran auf dem Kopf könne ihr nichts geschehen, wenn sie den Männern mit Maschinengewehren entgegengeht, die ihren Stamm am Weiterziehen hindern wollen (und werden …) – sie stirbt im Kugelhagel, genau wie viele ihrere Stammesgenosssen: Frauen, Kinder und Männer. Überhaupt sind die Frauenschicksale in diesem Buch von schier unvorstellbarer Härte.

Mit Tor Baz, dem schwarzen Falken, erlebt der Leser, wie Mitte des 20. Jahrhunderts in der Grenzregion zwischen Afghanistan, Pakistan und Iran gelebt wurde: Sklavenmarkt für Frauen, Opium im Dorfladen, Wasser holen über viele Kilometer, karger Boden, Entführungen als Einnahmequelle über Stammesgrenzen hinweg, Spionage und Doppelagenten  – das alles mit einem starken Selbstbewusstsein, denn außer den Stämmen selbst zählt nichts. Tor Baz ist die verbindende Figur zwischen den neun selbständigen Geschichten dieses Bandes – von seiner Geburt als Kind einer ehebrecherischen Liebe bis in sein Erwachsenenleben hinein. Er hat sich arrangiert im Stammesgebiet, er findet Aufgaben und Arbeit.

Es ist der Blick in eine Kultur, die uns im Westen fremd ist – eine Kultur, in der Ehrbegriffe hoch gehalten werden, Ehrverletzungen den Tod nach sich ziehen können und die Jirga für die Einhaltung der Regeln sorgt.

Es ist ein lesenswertes Buch – die Zuneigung Ahmads zu den Menschen und der Landschaft der Stammesgebiete kommt ebenso zum Ausdruck wie der klare Blick auf die Härte des Lebens dort.

Jamil Ahmad: Der Weg des Falken, übersetzt von Giovanni und Ditte Bandini, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2013, ISBN: 9783455403947

Rezensionen ab Mai 2013 erscheinen in meinem Literaturblog Kölner-Leselust.de.

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