Von beiden Buchhändlerinnen meines Vertrauens empfohlen – sie sind sehr unterschiedlich – habe ich den Briefroman von Mary Ann Shaffer begonnen und kaum aus der Hand legen können. Wir sind in den späten 40er Jahren, erst in London und später dann auf Guernsey. Ein Bauer der Insel schreibt an die junge Autorin Juliet einen Brief, denn er hat antiquarisch ein Buch erworben, das ursprünglich ihr gehörte – ihre Adresse steht drin und so kann er sie ausfindig machen. Das Buch hat ihn begeistert und er möchte mehr von dem Autor lesen. Deshalb bittet er sie, ihm weitere Informationen zu verschaffen. Juliet antwortet – eine Korrespondenz entwickelt sich und die junge Frau erfährt von dem Literaturclub, den die Insebewohner zu Kriegs- und Besatzungszeiten gründeten. Das alles findet sie so interessant, dass sie beschließt, die Insel selbst aufzusuchen.
Natürlich hat Juliet noch viel mehr Bekannte: einen Verleger, eine Freundin, einen Freund – auch mit ihnen korrespondiert sie. So entsteht ein Bild, nein, da es sich entwickelt: ein Film des Lebens dieser jungen Frau und der Menschen, mit denen sie verbunden ist. Rückblicke der Inselbewohner zeigen die heutigentags vergessenen Kriegswunden der idyllischen Kanalinseln. Wussten Sie, dass sie während des Zweiten Weltkriegs von den Deutschen besetzt waren? Ich hab das erst durch dieses Buch erfahren.
Es ist eine Geschichte, die bewegt. Nicht nur die Schicksale der Romanfiguren, nein, auch die Geschichte der Menschen auf diesen Inseln in der Zeit des Romans. Die Form des Briefromans ermöglicht es, die unterschiedlichen Blickwinkel kennenzulernen – mitsamt allen Intentionen der Briefschreiberinnen und -schreiber (ach ja: Telegramme kommen auch vor …), denn je nachdem wer an wen schreibt, unterscheidet sich die Darstellung ein und desselben Sachverhaltes schon mal.
Ich finde es ein rundum empfehlenswertes Buch – und alle, denen ich es geliehen habe, stimmen mir darin zu 😉
Mary Ann Shaffer; Abbie Barrows: Deine Juliet, Reinbek 2008, übersetzt von Margarete Längsfeld und Martina Tichy, ISBN 978 3 499 24593 0
PS: Die Autorin ist – leider – nach Beendigung des Manuskripts verstorben und ihre Nichte hat die Herausgabe betreut – deshalb erscheinen in der bibliografischen Angabe zwei Namen.
Rezensionen ab Mai 2013 erscheinen in meinem Literaturblog Kölner-Leselust.de
Helga
Wirklich ein schöner Roman – ich habe ihn wirklich gern gelesen.