Wer braucht welche Recherche? Mediziner braucht

Fachliteratur.

Nun, dass die ein Mediziner braucht, ist in der Regel ja nichts Ungewöhnliches. Hat der Mensch allerdings ein „Orchideenthema“ vor sich, kann es schon mal schwierig werden, z. B. weil es Vorgaben in Hinblick auf den Publikationszeitraum gibt. Die Referenzen sollen dann nicht älter als 5 oder 10 Jahre sein – das gibt es häufig als Grenze. In Kombination mit einer Mindestanzahl von Referenzstellen – hm, da wird Recherche schwierig.

Hier war es dann wirklich so, dass die Publikation, die da am besten passte, aus dem 30ern stammte. Viiiieeeel zu alt. Aber wenn es doch soo gut passt? Und wenn es sonst zu wenig Publikationen sind, weil es sich um ein seltenes Phänomen handelt? Also habe ich den Text besorgt und meinem Kunden regelrecht aufgedrückt. Ich halte nämlich in vielen Bereichen wenig von diesen Zeitrahmengeschichten …

A1thèse0317
Fast 100 Jahre sind ein langer Zeitraum für wissenschaftliche Literatur – aber der direkte Eindruck in der Kriegssituation kann auch Erkenntnisse bringen.
Was sich dann aber hier ergab, war fast zu schön, um wahr zu sein: Mein Kunde entdeckte, dass alle, die sich seit, sagen wir mal den 50er Jahren, mit dem Thema befasst hatten – viele waren es ja nicht, aber immerhin -, die Recherche gescheut und nur noch in die zitierende Literatur geguckt hatten statt ins Original. Es kam zum „worst case“: Ein Abschreibfehler wurde munter immer weiter getragen … Es war jetzt nichts so Gravierendes wie beim Eisengehalt von Spinat, aber für mich ist es ein Beleg dafür, dass „Quellenstudium“ nach wie vor unerlässlich ist.

Wenn Sie zu einem wissenschaftlichen Thema arbeiten, dessen Grundlagenwerk älter ist,  als die Vorgaben Ihres Instituts oder Verlags „erlauben“, schauen Sie bitte trotzdem hinein. Das gilt besonders für solche „Klassiker“, die das gleiche Schicksal erleiden wie für die schöne Literatur von Gilbert Keith Chesterton notiert: „Klassiker sind Dichter, die man loben kann, ohne sie gelesen zu haben.“ – keine gute Grundlage für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung. Und im Grunde sind „indirekte Zitate“ auch schlechter wissenschaftlicher Stil.

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